Geschichte

Die dunkle Seite der Karibik: 2. Kolonialismus

Wenn Touristen in dem Tropenparadies mit einem Rum-Cocktail in der Beachbar hocken, denken die wenigsten daran, dass sie auf blutigem Sand sitzen. Die Geschichte der Karibik steht für Eroberung, Plünderung, Vernichtung, Versklavung, Unterwerfung und Ausbeutung und gehört mit geschätzten 50 Millionen Opfern zu einer der tragischsten Kapitel der Menschheitsgeschichte.

ARAWAKS, KAINOS, IGNERI UND KARIBEN

Seit 8000 Jahren leben in der Karibik Menschen. Vor den Entdeckungen im Ersten Jahrtausend v.  Chr. kamen Arawak-Indianer aus Venezuela. Es folgten rund 1500 Jahre später die kriegerischen Kariben, die die Arawak langsam von den Kleinen Antillen vertrieben. Zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert besiedelten die Arawak die Inseln Kuba, Hispaniola sowie die Bahamas Die Taíno waren ein zu den Arawak gehörendes indigenes Volk auf den Großen Antillen – vor der Ankunft der Kariben auch auf den Kleinen Antillen. Auf Grenada und Martinique lebten die Igneri. Das sollte sich alles nach der Ankunft der Kolonialherren rapide ändern.

KOLUMBUS UND HISPANIOLA

Wann begann die Kolonisation der Karibischen Inseln und was löste die gewaltige demografische Katastrophe aus? Die großen Seefahrermächte Portugal und Spanien beherrschten die Ozeane: Die Inselwelt im Osten sollte den Portugiesen gehören, – die westlichen Inseln den Spanien. Im Wettlauf mit Portugal um den Seeweg nach Indien wählte Kolumbus die Atlantikroute. Isabella von Kastillien („Die Schöne mit den Utensilien“ von den Comedian Harmonists) und Monarch Ferdinand hofften auf Gold, Ruhm und Macht. Das Unheil für die Ureinwohner nahm am 12. Oktober 1492 seinen Lauf: Christoph Kolumbus landete an diesem Tag statt in Indien auf San Salvador auf den Bahamas. Der italienische Seefahrer in kastilischen Diensten wurde daraufhin der erste Vizekönig des Vizekönigreichs Neuspanien. Auf seinen Entdeckungsreisen zwischen 1492 und 1504 steuerte Kolumbus vor allem die Großen Antillen an, darunter bei allen vier Reisen Hispaniola (heute Haiti und Dominikanische Republik), wo er erste Kolonien gründete. Erst auf seiner vierten Reise betrat er im heutigen Honduras das amerikanische Festland. Kolumbus hatte nicht bemerkt, dass es sich um einen bis dahin unbekannten Kontinent handelte. Diese Auffassung vertrat erst Amerigo Vespucci, nach dem die Neue Welt schließlich Amerika genannt wurde. Kolumbus gilt bis heute als maßgeblicher europäischer Entdecker der Neuen Welt, weil seine Reisen zu dauerhafter Kolonisierung führten.

OVANDO UND DAS ENDE DER TAINOS

Nach der Eroberung Hispaniolas (Dominikanische Republik/Haiti) brach Chaos aus und die Monarchen waren von der weiteren Schlagkraft Columbus enttäuscht. Sie suchten einen neuen starken Mann und ernannten Ordenskrieger Nicolas de Ovando zum Gouverneur der Insel, um für Ruhe und Reichtum in der Heimat zu sorgen. Santa Domingo wurde von ihm erobert und neu aufgebaut und an den Einheimischen Tainios wurde ein beispielloses Massaker verübt: Die Häuptlinge und Ureinwohner wurden verbrannt oder totgeschlagen. Innerhalb von zwei Jahren gehört den Spaniern Hispaniola, Jamaika und Puerto Rice – und mehr: Mittel- und Südamerika, die Reiche der Inkas und Azteken, sind die weiteren Plünderungsziele: Die unermesslichen Schätze lassen die Plünderungen in der Karibik verblassen. Kaum 50 Jahre nach Ankunft von Christoph Kolumbus sind die Tainos durch Mord, Sklavenarbeit und eingeschleppte Krankheiten nahezu vollständig vernichtet worden. 100 Jahre nach dem Eintreffen des berühmten Seefahrers gehört die Inselwelt der Karibik den Spanieren. 

REICHTUM IST KEINE SCHANDE

Reichtum ist den anderen Nationen nicht entgangen und die Karibik mit ihren unzähligen Inseln und teilweise flachen Gewässern zeigt sich als ein schwer zu verteidigendes Archipel. Außerdem vernachlässigen die Spanier ihre Kolonien in der Karibik, weil sie vorrangig an den Bodenschätzen und Reichtümern der Inkas und Azteken interessiert sind. Sie nutzen Hispaniola daher in erster Linie als Zwischenstation. Für Seeräuber und Freibeuter aus England, Frankreich und den Niederländern sind die reich beladenen Schiffe eine lohnende Beute. 1655 greift England nach der Herrschaft und ein erbitterter Krieg beginnt. Der legendäre Freibeuter Francis Drake soll im Auftrag von Elisabeth I. dem Erzfeind Hispaniola abjagen. Mit 20 Kriegsschiffen erobert er Santa Domingo. St. Kitts ist die erste Insel, die von Engländern gegründet wird. Es folgen Barbados und weitere Eilande. Die Franzosen nehmen sich Martinique und Guadeloupe, während die Holländer Curaçao erobern. Es kommt zu weiteren Schlachten um Hispaniola mit Protector Oliver Cromwell, der den Kampf mit den Spanieren verliert, aber dafür Jamaika gewinnen kann. Nur 100 Jahre nach Drakes Angriff haben sich die Besitzverhältnisse geändert. Nun ist England die Nummer Eins in der Karibik.

Michael Krüger

Ist in der Medien- und Musikszene als Journalist, Texter und Kreativer aktiv. Nach Studium, Akademie & Volontariat fest oder frei in Redaktionen und Agenturen sowie als Reisejournalist und Artworker tätig. Für seine Reisereportagen wurde er mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet.