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Bioinvasoren in der Karibik

Rotfeuerfische in der Karibik, Aga-Kröten auf Jamaika und Barbados, Pythonschlangen in den Florida-Everglades: Immer mehr Tierarten breiten sich heute in Gebieten aus, in denen sie nicht heimisch waren. Wie kann man die aggressiven Bioinvasoren stoppen?

Diver spearfishing underwater with gun

ALS BLINDE PASSAGIERE EINGEFÜHRT

Dass die Anzahl invasiver Arten exponential steigt liegt an den Menschen. Die meiten Tiere gelangten durch den globalen Handel oder als blinde Passagiere im Ballastwasser der Containerriesen in neue Gebiete. Der Rotfeuerfisch ist in der Karibik zur Plage geworden und gefährdet die Riffe. Um die Ausbreitung der gefräßigen Tiere zu stoppen, greifen Taucher zur Harpune. Der Feuerfisch ist nicht nur verfressen, sondern auch besonders beharrlich. Kurt Ingeman, von der Oregon State University untersucht das Verhalten der Fische seit Jahren. „Während andere Raubfische nachhaltig fressen und an das nächste Riff ziehen, wenn ein Futterbestand dezimiert wurde, gibt der Feuerfisch nicht auf“, berichtet der Wissenschaftler. „Er frisst so lange weiter, bis ganze Populationen ausgerottet sind.“ 

Das ist ein großes Problem, da der gestreifte Schönling seit den 80er-Jahren in Gebieten auftaucht, in denen er keine natürlichen Feinde hat. Vor der amerikanischen Ostküste und in der Karibik gefällt es ihm scheinbar ganz gut. Ursprünglich stammt seine Art aber aus den tropischen Gewässern des Pazifiks, des Indischen Ozeans und des Roten Meeres. 

Man vermutet, dass der Feuerfisch ausgesetzt wurde oder seinen Weg in die Freiheit fand, als bei einem Tornado ein Aquarium im Süden Floridas zu Bruch ging. „Anfangs fanden alle die neuen Fische einfach nur lustig und hübsch“, erinnert sich der Biologe Mark Vermeij vom Caribbean Marine Biological Institute auf Curaçao. Doch diese Einstellung änderte sich, als die Tiere überhandnahmen. „Sie waren relativ schnell überall – wie Kakerlaken“, so Vermeij.  Seit seiner Ankunft im Atlantik frisst der Einwanderer alles, was ihm vor sein gieriges Maul schwimmt. Bei einer DNA-Analyse des Mageninhalts von 157 Feuerfischen aus dem Golf von Mexiko wurden 43 verschiedene Krebs- und 34 verschiedene Fischarten gefunden, darunter Papageifische, Französische Grunzer und Karibische Zackenbarsche. Bei einer Untersuchung auf den Bahamas waren es sogar 50 Fischarten.  

KAUM ZU STOPPEN

Der Forschungstaucher und Meeresbiologe Luiz Rocha von der California Academy of Science hat jetzt bestätigt, was Wissenschaftler schon lange befürchten. Der Feuerfisch übernimmt Südamerika! Vor Brasilien konnte ein Exemplar gefangen und einem Gentest unterzogen werden. Es stammt von den Karibikpopulationen ab. „Hier in Brasilien ist eine Verbreitung besonders fatal“, erklärt Rocha. „Die Riffe beheimaten viele kleine, vom Aussterben bedrohte Fischarten.“ Wie viele seiner Kollegen fordert der Wissenschaftler dringend, etwas gegen die Ausbreitung zu unternehmen. 

In Florida und der Karibik dagegen ist die Bedrohung der Riffbewohner durch den Feuerfisch nichts Neues. Seit Jahren sind die ungebetenen Gäste daher zum Abschuss freigegeben. Taucher helfen fleißig mit, die weitere Ausbreitung einzudämmen. Mit Speeren und Harpunen gehen sie dafür auf die Jagd. Basisleiter Hans Pleij bietet deshalb auf Curaçao spezielle Feuerfisch-Tauchgänge an. „Es gibt bei uns zwei Möglichkeiten“, erzählt der gebürtige Holländer. „Bei einem ,Lionfish Dive‘ suchen unsere Gäste die Fische und der Guide schießt sie ab. Bei einem ,Lionfish Hunt‘ bringen wir den Tauchern an Land einen sicheren Umgang mit der Harpune bei und zeigen ihnen dann, wie sie auf die Fische schießen können, ohne das Riff zu beschädigen.“ Mit einer Harpune, an deren Speer ein Dreizack befestigt ist, geht es anschließend auf die Jagd. Oft haben Taucher eine reflexartige Abwehrhaltung. „Einige Gäste mögen es nicht, dass wir Unterwasserlebewesen töten. Wir erklären ihnen dann, warum es sinnvoll ist, die Jagd zu unterstützen und sie sind dann in den meisten Fällen auch einverstanden.“ 

Hans organisiert „Lionfish Derbies“. Bei diesen, in Florida mittlerweile zur Tradition gewordenen Fangwettbewerben liefern sich Taucher ein regelrechtes Kopf-an-Kopf-Rennen. Wer die meisten Feuerfische fängt, gewinnt: In Florida gibt es Preisgelder für den schwersten und den kleinsten sowie für die größte Anzahl gefangener Fische. Naturschutzorganisationen spenden die Gelder. Dafür gibt es auf den Karibikinseln kein Geld. „Uns reicht es, wenn es gelingt, mehr Fische zu fangen als Bonaire“, lacht der Niederländer. Mit ein bisschen Lokalpatriotismus stachelt er seine Taucher an. „Das wäre doch gelacht, wenn die da drüben mehr Fische fangen als wir.“ 

Diver taking off wetsuit after spearfishing

SINNLOSE JAGD?

Luiz Rocha findet den Ansatz der Fangwettbewerbe gut, sieht aber Verbesserungsbedarf. „Wir müssen dringend Zahlen erheben, welche Auswirkungen die Wettbewerbe insgesamt auf die Bestände haben. Nur dann können wir sie auch effektiv planen und einsetzen.“  Denn, ob Dreizack und Harpune eine wirksame Waffe gegen die Feuerfische darstellen, bleibt fraglich. In geringen Tiefen wurde zwar ein Rückgang nachgewiesen, für Sporttaucher unerreichbare Tiefen bleiben aber stark besiedelt. In der Karibik versucht man deshalb seit einigen Jahren, die Lebensmittelindustrie auf den Plan zu rufen. Was viele nämlich nicht wissen: „Ist man die lästigen Giftstacheln erst einmal los, eignet sich der Feuerfisch hervorragend als Speisefisch“, sagt Rocha. „Wenn wir es schaffen, dass die Nachfrage steigt, aktiviert das die Fischindustrie“, so der Biologe. „Die Fischer kümmern sich dann automatisch um die tieferen Gewässer.“ Darum gibt die Umweltschutzorganisation Reef bereits seit einigen Jahren ein Lionfish-Kochbuch heraus (siehe Kasten links). Auch Imbissbuden am Strand nehmen frisch erlegte Fische dankend an und verarbeiten sie direkt zu Burgern.  Anderswo wird, ähnlich der Preisgelder bei den Wettbewerben, der Fang invasiver Arten schlichtweg subventioniert. Im Nordwestatlantik erhalten Angler bis zu acht Dollar für den Fang eines dort ansässig gewordenen Karpfens. Der räubert nämlich die Lachsbestände. Die Strategie hat Erfolg. Die Lachsverluste konnten um 40 Prozent eingedämmt werden. Unklar ist aber, ob die vom Rotfeuerfisch befallenen Länder Geld für eine solche Maßnahme zur Verfügung stellen könnten.

Im Internet findet der interessierte Taucher Video-Anleitungen, in denen angebliche Biologen dazu ermutigen, den Feuerfischen bereits unter Wasser ihre Giftstacheln zu entfernen und anschließend ihrem Schicksal zu überlassen. „Das ist absoluter Unsinn“, ärgert sich Hans Pleij. „Die Fische schwimmen mit den Wunden nicht mehr umher. Haie und Muränen bringen das Futter mit den Luftblasen der Taucher in Verbindung.“ So könnten diese bei der nächsten Fütterung ganz schön ungemütlich werden. „Nehmt die Fische lieber mit nach Hause und macht euch ein leckeres Essen daraus“, lacht Hans.

DARF MAN HARPUNIEREN?

In einer Tauchbasis nach einer Harpune zu fragen ist ähnlich tollkühn wie beim Greenpeace-Treffen mit einem Porsche Cayenne vorzufahren. Auf einigen Karibikinseln sind „Spießbürger“ allerdings willkommen. Bei der Jagd vor Saba und Curaçao konnte ich selbst erleben, wie widerstandsfähig die giftigen Fische sind. Mir haben die Tiere leidgetan, aber die gefräßigen Plagegeister vermehren sich explosionsartig und vernichten die lokalen Bestände. Glücklicherweise sind die Lauerjäger leichte Beute für Harpunettis – und schmackhaft. Ob die „Sisyphos-Jagd“ hilft? Vermutlich mehr, als Diskussionen darüber: Riffe retten, Lionfish essen! Das „Lionfish Cookbook“ wird von der Umweltschutzorganisation Reef herausgegeben. Leckere Rezepte machen Lust, den hühnchenzarten Fisch zu probieren.

AGA-KRÖTE AUS JAMAIKA

Bereits im 19. Jahrhundert wurde die Aga-Kröte auf Jamaika und Barbados eingeführt, um die Schädlinge in den Zuckerrohrplantagen zu dezimieren. Keine gute Idee: Di bis zu 25 Zentimeternlanen und ein Kilogramm schwere, invasive Aga-Kröte hat in der Karibik kaum natürliche Feinde und vermehrt sich explosionsartig. Gegen Angreifer setzen die Tiere ihre giftigen Hautdrüsen auf dem Rücken ein: Augen und Mundschleimhäute werden gereizt. Werden sie gefressen kann das tödlich enden. Hunde sollen in kurzer Zeit an den Giftstoffen gestorben sein.

TIGER-PYTHONS IN FLORIDA

Auch die Everglades haben mit Bio-Invasoren zu kämpfen: Due burmesische Tigerpython, Bei den Tigerpythons in den Everglades wird vermutet, das durch ein Hurrikan Andrew auch eine Zuchteinrichtung für Reptilien in der Nähe des Nationalparks zerstört wurde. Dabei entkam eine unbekannte Zahl an Pythons in die Freiheit. Das Problem: Die acht Meter lange Würgeschlange hat in dem Sumpfgebiet keine natürlichen Feinde und ist ein Vielfraß. Selbst Alligatoren stehen auf dem Speiseplan. Darum wurde das Python Elimination Program entwickelt: Die Wasserbehörde in Südflorida zahlt für jede erlegte Tiger Python eine Prämie – je länger die Schlange, desto höher das Kopfgeld. Für ein Drei-Meter-Exemplar gibt es zum Beispiel 200 Dollar. Und Schlangenjäger verdienen sich oft etwas hinzu: Aus der Haut der erlegten Pythons lassen sich Taschen, Cowboystiefel, Jacken, Gürtel und viele Accesoires herstellen.

Diver and Invasive Species

Karibik Guide

Die Sehnsuchtsziele mit türkisfarbenem Wasser und endlosen Stränden sind einzigartige Mikrokosmen. Jede Insel ist anders und begeistert mit bunten Korallenriffen oder Begegnungen mit großen Haien. Dazu die relaxten Bewohner, die mit kreolischer Küche, Rum-Cocktails und Reggae- und Soca-Beats das Leben zelebrieren – das gibt’s nur hier!