Die dunkle Seite der Karibik: Kolonialismus
Traumstrände, Palmen und türkisfarbenes Wasser: Wenn Touristen in dem Tropenparadies mit einem Rum-Cocktail in der Beachbar hocken, denken die wenigsten daran, dass sie auf blutigem Sand sitzen. Die Geschichte der Karibik steht für Eroberung, Plünderung, Vernichtung, Versklavung, Unterwerfung und Ausbeutung und gehört mit geschätzten 50 Millionen Opfern zu einer der tragischsten Kapitel der Menschheitsgeschichte.
ARAWAKS, KAINOS, IGNERI UND KARIBEN
Seit 8000 Jahren leben in der Karibik Menschen. Vor den Entdeckungen im Ersten Jahrtausend v. Chr. kamen Arawak-Indianer aus Venezuela. Es folgten rund 1500 Jahre später die kriegerischen Kariben, die die Arawak langsam von den Kleinen Antillen vertrieben. Zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert besiedelten die Arawak die Inseln Kuba, Hispaniola sowie die Bahamas Die Taíno waren ein zu den Arawak gehörendes indigenes Volk auf den Großen Antillen – vor der Ankunft der Kariben auch auf den Kleinen Antillen. Auf Grenada und Martinique lebten die Igneri. Das sollte sich alles nach der Ankunft der Kolonialherren rapide ändern.
KOLUMBUS UND HISPANIOLA
Wann begann die Kolonisation der Karibischen Inseln und was löste die gewaltige demografische Katastrophe aus? Die großen Seefahrermächte Portugal und Spanien beherrschten die Ozeane: Die Inselwelt im Osten sollte den Portugiesen gehören, – die westlichen Inseln den Spanien. Im Wettlauf mit Portugal um den Seeweg nach Indien wählte Kolumbus die Atlantikroute. Isabella von Kastillien („Die Schöne mit den Utensilien“ von den Comedian Harmonists) und Monarch Ferdinand hofften auf Gold, Ruhm und Macht. Das Unheil für die Ureinwohner nahm am 12. Oktober 1492 seinen Lauf: Christoph Kolumbus landete an diesem Tag statt in Indien auf San Salvador auf den Bahamas. Der italienische Seefahrer in kastilischen Diensten wurde daraufhin der erste Vizekönig des Vizekönigreichs Neuspanien. Auf seinen Entdeckungsreisen zwischen 1492 und 1504 steuerte Kolumbus vor allem die Großen Antillen an, darunter bei allen vier Reisen Hispaniola (heute Haiti und Dominikanische Republik), wo er erste Kolonien gründete. Erst auf seiner vierten Reise betrat er im heutigen Honduras das amerikanische Festland. Kolumbus hatte nicht bemerkt, dass es sich um einen bis dahin unbekannten Kontinent handelte. Diese Auffassung vertrat erst Amerigo Vespucci, nach dem die Neue Welt schließlich Amerika genannt wurde. Kolumbus gilt bis heute als maßgeblicher europäischer Entdecker der Neuen Welt, weil seine Reisen zu dauerhafter Kolonisierung führten.
OVANDO UND DAS ENDE DER TAINOS
Nach der Eroberung Hispaniolas (Dominikanische Republik/Haiti) brach Chaos aus und die Monarchen waren von der weiteren Schlagkraft Columbus enttäuscht. Sie suchten einen neuen starken Mann und ernannten Ordenskrieger Nicolas de Ovando zum Gouverneur der Insel, um für Ruhe und Reichtum in der Heimat zu sorgen. Santa Domingo wurde von ihm erobert und neu aufgebaut und an den Einheimischen Tainios wurde ein beispielloses Massaker verübt: Die Häuptlinge und Ureinwohner wurden verbrannt oder totgeschlagen. Innerhalb von zwei Jahren gehört den Spaniern Hispaniola, Jamaika und Puerto Rice – und mehr: Mittel- und Südamerika, die Reiche der Inkas und Azteken, sind die weiteren Plünderungsziele: Die unermesslichen Schätze lassen die Plünderungen in der Karibik verblassen. Kaum 50 Jahre nach Ankunft von Christoph Kolumbus sind die Tainos durch Mord, Sklavenarbeit und eingeschleppte Krankheiten nahezu vollständig vernichtet worden. 100 Jahre nach dem Eintreffen des berühmten Seefahrers gehört die Inselwelt der Karibik den Spanieren.
DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK
Reichtum ist den anderen Nationen nicht entgangen und die Karibik mit ihren unzähligen Inseln und teilweise flachen Gewässern zeigt sich als ein schwer zu verteidigendes Archipel. Außerdem vernachlässigen die Spanier ihre Kolonien in der Karibik, weil sie vorrangig an den Bodenschätzen und Reichtümern der Inkas und Azteken interessiert sind. Sie nutzen Hispaniola daher in erster Linie als Zwischenstation. Für Seeräuber und Freibeuter aus England, Frankreich und den Niederländern sind die reich beladenen Schiffe eine lohnende Beute.
1655 greift England nach der Herrschaft und ein erbitterter Krieg beginnt. Der legendäre Freibeuter Francis Drake soll im Auftrag von Elisabeth I. dem Erzfeind Hispaniola abjagen. Mit 20 Kriegsschiffen erobert er Santa Domingo.
St. Kitts ist die erste Insel, die von Engländern gegründet wird. Es folgen Barbados und weitere Eilande. Die Franzosen nehmen sich Martinique und Guadeloupe, während die Holländer Curaçao erobern. Es kommt zu weiteren Schlachten um Hispaniola mit Protector Oliver Cromwell, der den Kampf mit den Spanieren verliert, aber dafür Jamaika gewinnen kann. Nur 100 Jahre nach Drakes Angriff haben sich die Besitzverhältnisse geändert. Nun ist England die Nummer Eins in der Karibik.
DIE PIRATEN DER KARIBIK
Die dritte Großmacht, die sich in der Karibik breit macht sind die Piraten. Die flachen Gewässer rund um die Bahamas sind idealer Unterschlupf. Im Goldenen Zeitalter von 1650 bis 1725 sind die wenigsten Schiffe vor den Seeräubern sicher. Neben Nassau sind Port Royal auf Jamaika sowie die französische Siedlung auf Tortuga wichtige Piratensiedlungen. Kaperfahrer Woodes Roger sollte nun das Piraten-Problem mit einer Proklamation im Gepäck lösen. Aussteigen und straffrei bleiben oder Galgen? Ein Großteil der Seeräuber willigte ein – die übrigen wurden gehängt. 1725 war der Spuk vorbei: Das Ende des Zeitalters der Piraten war eingeläutet.
ZUCKERROHR UND PEITSCHE
Womit machten die Eroberer das große Geld? Mit Tabak? Baumwolle? Gewürzen? Das Kokain dieses Zeitalters war zwar auch weiß, aber süß: Zucker. Das Geschäft mit dem begehrten Süßstoff hat gigantische Kapitalströme in Gang gesetzt, Hochseeflotten entstehen lassen und teils freiwillige, teils erzwungene Völkerwanderungen ausgelöst. Um 1640 beginnt der großflächige Anbau von Zuckerrohr. Dazu brauchten die Eroberer günstige Arbeitskräfte und Sklaverei war Bestandteil des profitträchtigsten Landwirtschaftszweigs. Fast dreiviertel der Sklaven in der Neuen Welt wurden beim Zuckerrohranbau eingesetzt. Der Sklaven-Import in die Neue Welt gilt als größter Einzelbeitrag Europas, der jemals zum ökonomischen Wachstum beigetragen hat. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts waren die karibischen Zuckerfarmen der Motor für den Wirtschaftsaufschwung in Europa.
Der sogenannte Dreieckshandel war höchst effektiv: Von Europa aus fuhren mit Waffen, Stahl-, Glasperlen und Tuchwaren beladene Schiffe an die westafrikanische Küste (zwischen Kamerun und Liberia), wo die Güter gegen Sklaven eingetauscht wurden. Die Sklaven wurden auf Markten von lokalen Händlern gekauft. Die Schiffe steuerten dabei die Karibik an, wo vom Erlös der Sklaven landwirtschaftliche Erzeugnisse Rohrzucker, Rum und Melasse sowie Baumwolle erstanden wurden. Mit reicher Beute segelten sie in ihre Heimathäfen zurück, um die Fracht auf dem europäischen Markt zu verkaufen.
DIE SKLAVENDEPORTATION
Die Überfahrt war ein Alptraum: Die Sklaven wurden angekettet und hockten während der Überfahrt in ihren eigenen Exkrementen. Die mehr als vierwöchige Tortur überlebten viele nicht. Um diesen „Verlust“ zu kompensieren, wurden mehr als an Bord passten auf die auf Massen-Pritschen angekettet. Das Sklavenschiff „Henrietta Marie“ konnte bis zu 400 Sklaven befördern, die auf zwei Decks untergebracht waren. Die Sklaven verbrachten die wochenlange Passage angekettet auf je einem halben Quadratmeter. Wenn die überladenen Schiffe sanken, rissen sie die Sklaven mit in die Tiefe und in den sicheren Tod. 40 Millionen Sklaven wurden verschifft. In der Neuen Welt kamen rund 13 Millionen lebendig an.
DIE TAGEBÜCHER DES THISTLEWOOD
Die Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen war hart, die Arbeitszeiten lang und Sadisten wie der britische Aufseher Thomas Thistlewood, der mit brutaler Gewalt Sklaven quälte, können anhand seiner akribischen Tagebuchaufzeichnungen als sicher bestätigt werden: Sklaven, die fliehen wollten oder Nahrung stahlen, wurden von ihm fast totgeprügelt. Er entwickelte die Strafe „Derby’s dose“: Nach dem Auspeitschen wurden die Wunden mit Pfeffer, Salz, Chilli und Limonen eingerieben. Wenn Sklaven dabei erwischt wurden, wie sie an Zuckerrohr kauten, wurden sie gefesselt und der Mund mit Exkrementen eines anderen Sklaven vollgestopft – er schrieb in seinem Tagebuch „Dann setzte sich der Sklave auf seinen Mund und schiss ihn voll“. Danach wurde das Opfer geknebelt und musste mit vollem Mund weiter arbeiten. Einige übergaben sich dabei und erstickten am Erbrochenen. Folter, Vergewaltigung und Mord gehörte zur Tagesordnung. Totschlag war zwar selbst an Sklaven nicht erlaubt, aber wenn die Opfer an den Folgen der Folter starben, galt es nicht mehr Mord. Hunderttausende Sklaven litten unter ähnlichen Sadisten wie Thistlewood und wurden gepeinigt, zur Strafe in Erdlöchern verbuddelt. Vielen wurden bei kleinsten Straftaten die Extremitäten abgeschlagen.
GUADELOUPE UND DIE VERMEINTLICHE BEFREIUNG
Sonnenanbeter haben am Raisins Clairs auf der Guadeloupe schon Totenschädel, Zähne, Sargnägel und Menschenknochen gefunden – erst 2013, als beim Tropen-Hurricane große Teile des Strands abgetragen wurden, kam die Vergangenheit zum Vorschein: Ein Friedhof mit mehr als 1000 Gräbern, auf dem bis ins 19. Jahrhundert hinein die Leichen von Sklaven vergraben wurden. Was ist damals passiert? 1789 beendet die Französische Revolution die Monarchie von Ludwig XIV. Kaufmann Victor Hugues, Gesandter der Regierung, sollte auch die Kolonien befreien, denn 85 Prozent der Bewohner arbeiten als Sklaven in Plantagen. Dort angekommen kämpfte er zunächst mit den erlösten Sklaven gegen die Briten, die die Insel besetzt hielten und tötete die wichtigsten Offiziere mit seiner transportablen Guillotine. Aus dem Befreier wurde allerdings nur ein neuer Despot: Die Sklaven waren nach der Befreiung nicht mehr gewillt, die körperlich harte Arbeit auszuüben von denen Frankreich gut lebte. Der Befreier Hugues wandelt sich nun zum Schlächter. Sklaven, die sich weigern zu arbeiten, wurden mit dem Fallbeil um einen Kopf kürzer gemacht. Als die Wut der Sklaven zum Höhepunkt kommt, ruft er Truppen aus Frankreich. Doch die Stimmen im Heimatland gegen Hughes werden lauter und 1799 wird der Sklavenhalter auf Druck der Herrscher abgelöst.
HAITI UND DIE SKLAVENREBELLION
Heute ist Haiti bettelarm: 2010 gebeutelt vom Erdbeben, vernichtet durch Hunger und zerrüttet durch Korruption ist die Insel nicht nur das Armenhaus der Karibik, sondern das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Von den 15 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung nach der Naturkatastrophe kam nur ein Bruchteil bei der Bevölkerung an: Korrupte Machthaber haben sich daran eine goldene Nase verdient, während Haiti am Abgrund ist.
Das war nicht immer so: Die „Perle der Antillen“ war früher die reichste der französischen Kolonien! Haiti war der erste unabhängige Staat der Karibik und hier gab es die effektivste Sklavenrebellion der Welt – kaum zu glauben, oder? Im Zuge der Französischen Revolution von 1789 gab es einen Sklavenaufstand. Die Anführer „L´Ouverture“ François-Dominique Toussant und der spätere „Jacob I., Kaiser von Haiti“ Jean-Jaques Dessalines. Innerhalb von vier Monaten wurden beim Sklavenaufstand 3000 Weiße ermordet. Insgesamt kamen mehr als 300.000 Einwohner durch Kämpfe und Krankheiten wie Gelbfieber um. Nur 13 Jahre später war Haiti frei von der Sklaverei. Der gekrönte, brutale und skrupellose Kaiser von Haiti lebte allerdings auch nicht mehr lange. Natürlich hatte er viele Feinde und wurde 1806 von Attentätern in einem Hinterhalt umgebracht und zerstückelt. Historiker bezeichnen ihn als blutrünstigen Tyrannen, das Volk liebt ihn. Die Nationalhymne von Haiti heißt „La Dessalinienne“ – noch Fragen?
DAS ENDE DER SKLAVEREI
1807 verbietet England den Sklavenhandel, 1834 auch den Besitz. Natürlich gab es moralische Motive, die sich auf die christliche Nächstenliebe begründeten, aber nicht zu leugnen bleibt die Tatsache, dass wirtschaftliche Gründe eine große Motivation waren: Die Zuckerpreise waren deutlich gesunken und die Rentabilität einiger Plantagen war gefährdet. Um diese Zeit war der Zucker vom „Luxus der Könige“ zum „Königlichen Luxus der Bürger“ geworden. Daher üben die Briten Druck auf die anderen Kolonialmächte aus. 1848 folgen Frankreich und Dänemark. Die Dänen haben sich die heutigen US-Virgin-Islands unter den Nagel gerissen, an denen auch das Deutsche Reich interessiert war. 1863 folgen die Niederlande. Als letzte Kolonialmacht schloss sich 1886 auch Spanien an. Seit 1886 ist damit offiziell die Sklaverei beendet. Spanien ist zu diesem Zeitpunkt nur noch eine Kolonialmacht von vielen. Hispaniola und Jamaika sind nach Kämpfen mit England und Frankreich schon lange nicht mehr in ihrem Besitz. 1898 verlieren die Spanier in einem Krieg gegen die USA mit Kuba und Puerto Rico ihre letzten beiden Kolonien. Briten, Franzosen, Niederländer und Dänen haben die karibische Inselwelt kolonialisiert.
TERROR IN DER DOMINIKANISCHEN REPUBLIK
1930 wird Rafael Trujillo Diktator der Republik. Er wird als „Caesar“ und „Neuer Moses“ gefeiert und selbst US-Politiker bezeichneten den Diktator als „Einen der größten Männer aller Zeiten“. Das sollte sich bald ändern: Die Zahlen variieren von 50.000 bis 500.000 Menschen, die angeblich während seiner 30-jährigen Amtszeit umgebracht wurden. Die Karriere von Trujillo begann mit einem Putsch und die US-Amerikaner arrangieren sich mit ihm im Kampf gegen den Kommunismus. Trujillo bewunderte insgeheim Franco und Hitler. Angeblich imponierten ihn die Durchschlagskraft und Brutalität der SA, SS und Gestapo und so baute er in kurzer Zeit sechs separate Geheimdienste auf. Nazi-Techniken wie Elektroschocks, Folter, Erschießungen von Gegnern und totalitäre Propaganda wie im Dritten Reich waren von nun an an der Tagesordnung. Der Dandy besaß angeblich 1000 Paar Stiefel und Hunderte Gala-Uniformen und liebte Make-up, um wie ein Weißer auszusehen. Mit seinem Lifestyle machte er auch auf die Bevölkerung Druck: Weiß ist gut, Merengue ist Volkstanz. Frauen färben ihre Haare und blichen die Haut und niemand wagte es, mit ungepflegter Kleidung das Haus zu verlassen. Er ließ, wie auch im Dritten Reich bei den Nazis und den SED-Schergen in der DDR beliebt, Spruchtafeln á la „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“. „Die Liebe der Deutschen Demokratischen Republik zum Sozialismus und zur Sowjetunion“ aufstellen, um das Volk auf seinen Kurs einzustimmen. Auf der Insel gab es rund 1800 Trujillo-Büsten, 100 neue Trujillo-Feiertage, Straßen, Parks und sogar Berge wurden nach ihm benannt. Bis Ende der 50er-Jahre gehörten 80 Prozent des Landes dem Trujillo-Clan. Aber der Widerstand im Untergrund wuchs. Das Ende, das jedem Diktator irgendwann blüht, war nah: Am 30. Mai 1960 wird er mit 60 Kugeln in seinem Straßenkreuzer erschossen.
FIDEL CASTRO UND CHE GUEVARA
Bis in die 50er-Jahre verkam das „Paris der Karibik“ immer mehr zur Billigversion von Las Vegas. Havanna wurde zur Metropole der Spielcasinos, Hotels, Bars, Theater und Bordelle, während die Armut auf der Insel weiter wuchs. Grund dafür war der Diktator Batista, der sich am Luxus bereicherte und sein Volk nicht am Gewinn beteiligte und aushungern ließ. Doch der Guerilla-Einheit um Maximo Lider „Fidel Castro“ und „Il Commandante“ Che Guevara gelang die Revolution gegen die Korruption. Sie vertrieben Dikator Batista aus Cuba und die Insel wurde zum ersten sozialistischen Staat der Karibik. Ab Herbst 1959 empfängt Cuba Waffenlieferungen, Kredite und Waren aus der Sowjetunion. Die USA brechen daraufhin alle diplomatischen Beziehungen ab und reagieren mit einem Wirtschaftsembargo, das bis heute anhält. 1962 entdeckten US-Aufklärer Atomraketen auf Cuba: Die heftigste Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mündete beinahe mit dem Atomkrieg, den Generalsekretär der UdSSR Chruschtschow durch den Abzug verhindern konnte.
Fidel machte weiter und schaffte in den kommenden 60 Jahren das, woran letztlich alle kommunistischen Machthaber scheitern: Wäre er in den 60er-Jahren abgetreten, müsste man immer noch den Hut vor ihm ziehen. So bleibt die übliche Erkenntnis: Kommunismus funktioniert nicht. Und die diktatorischen Prozesse, ähneln immer mehr den Mustern des Faschismus, was Kontrolle, Überwachung, Propaganda, Erpressung und Folter betrifft. Bis heute herrscht Ausreiseverbot auf Cuba. Die Insel ist eine sozialistische Sperrzone. Zu kaufen gibt es auch nichts, außer alter Revolutionsschmöker von 1959, die keinen Menschen mehr interessieren. Pressefreiheit und Internet sind bis heute unbekannt und hält Cuba weiterhin einen traurigen Weltrekord: Seit 60 Jahren gibt es Essensmarken!
DAS ENDE DER KOLONIALZEIT
1962 wird Jamaika unabhängig, 1966 Barbados – weitere Kolonien folgten. 1966 kommt Haile Selassie, der König des armen ostafrikanischen Landes Äthiopien nach Jamaika. Eigentlich hat er nur einen Abstecher von Trinidad & Tobago aus wirtschaftlichen Gründen machen wollen. Doch dann kam alles anders: Der 1,60 Meter große und 73 Jahre alte Mann, der sich „Der Löwe von Juda“ nannte, wird sich genauso gewundert haben wie Brian im „Leben des Brian“ über seine neue Messias-Rolle. Die Rastafaris hielten ihn für den Gott, der sie ins gelobte Land führen würde. (Weitere Informationen: „Das Neue Testament“ oder „Das Leben des Brian“, Monty Pythons und allen anderen Weltreligionen). Wie es dazu kam? Religion war schon immer Irrsinn und Afrika, die Heimat der Buffalo Soldiers, ist für viele Jamaikaner ein Sehnsuchtsort: Äthiopien ist bettelarm aber wurde nie kolonialisiert. Verantwortlich ist auch Marcus Garvey, begnadeter Redner und Förderer der Mitbestimmung Schwarzer. Er gründet den Zusammenschluss afrikanischer Stämme „UNIA“. Leonard Howell, der Schüler Garveys und erster Rastafai predigt in Kingston. Eine Rede handelte von einem Schwarzen König, der Erlöser der Rastafaris sein würde. Als der „König der Könige“ Haile Selassie in Äthiopien zufällig zur gleichen Zeit zum Kaiser gekrönt wurde setzte diese Thronbesteigung eine Welle in Gang. In Jamaika erkannte man dies als die Prophezeiung.
Und wie immer, wenn Abgesandte Gottes erscheinen, passieren seltsame Dinge: Als der „Rasta-Gott“ am 21. April 1966 auf Jamaika ankam, soll es aufgehört haben zu regnen. Einige Rastafaris berichteten davon, das sieben weiße Tauben aufgestiegen seien. Andere erkannten Stigmatas am Selassies Händen, wie sie Jesus nach der Kreuzigung trug. Der unverhoffte Messias riet daraufhin angeblich den Rastafaris zu bleiben und Jamaika zu befreien – in Äthiopien hatten sie genügend Probleme.
Wie dem auch sei: Seine Show kam an. Und der 21-jährige Robert Marley war begeistert und trägt mit der aus Ska und Rocksteady entwickelten neuen Musik namens Reggae die Neue Botschaft in die Welt. Natürlich verstehen die wenigsten, worum es in den Songs wirklich geht. Aber der hypnotisch langsame Beat erobert die Karibik und die Welt. Bob Marley starb 1981 mit 36 Jahren an Krebs, – seine Musik lebt bis heute weiter. Selassie wurde 1974 Opfer eines Militärputsches und starb ein Jahr später in Haft. Der 21. April ist seitdem auf Jamaika einer der höchsten Feiertage.
DIE KARIBIK HEUTE
Was für ein Fazit könnte man der Entdeckung Amerikas, der Kolonialisierung, der Versklavung und Befreiung geben. Beginnen wir bei der Tierwelt: In der Karibik sind seit Ankunft der Kolonialisten mehr als 20 Arten ausgerottet worden: Karibik-Manatis, Riesen-Faultiere, prächtige Aras gibt es nicht mehr. Geschätzte 50 Millionen Menschen starben seit der Ankunft von Christoph Kolumbus durch Massaker und Krankheiten. Fast fünf Millionen Afrikaner wurden als Sklaven in die Karibik verschifft, um auf Zuckerrohrplantagen unter katastrophalen Bedingungen zu schuften. Die Ureinwohner wurden innerhalb kürzester Zeit von den Spaniern ausgerottet. Haiti, das heute ärmste Land der westlichen Welt, war damals die reichste Insel und die erste, die durch eine Sklavenrevolution unabhängig wurde. Mittlerweile gibt es 13 souveräne Länder, zehn davon Mitglied der britischen Commonwealth. Die übrigen Inseln sind als Übersee- und Außengebiete im Besitz Europas und der USA.
Der 3000 Kilometer lange Inselbogen gilt seit dem 20. Jahrhundert als Tropenparadies. Von den namengebenden Insel-Kariben leben heute etwa 3500 auf Dominica in einem 15 Quadratmeter großen Reservat, das 1903 von den Briten eingerichtet wurde. Ihre Sprache starb um 1920 aus. Mehr als 500 Jahre nach der Eroberung durch Kolumbus, der barbarischen Kolonialzeit, der jahrzehntelangen Befreiung und Unabhängigkeit hat sich eine Sache nicht geändert: Die weiße Oberschicht gibt immer noch den Ton an.Utilas größere Schwester, Roatan, ist touristisch erschlossener. Wobei man sich darunter nicht allzu viel vorstellen sollte. Es handelt sich immer noch um eine Insel im Dornröschenschlaf, allerdings rüttelt bereits der Massentourismus in Form von Kreuzfahrtschiffen an der schlafenden Schönen. Während man sich auf Utila bequem zu Fuß fortbewegen kann, sollte man auf Roatan, das mit 30.000 etwa zehnmal so viele Einwohner hat wie Utila, schon ein Taxi oder einen Mietwagen nehmen. Hier findet man herrliche karibische Strände (Achtung: Zu bestimmten Zeiten gibt es hier Sandflöhe – am besten schützt man sich vor deren Bissen mit Babyöl!) und, zumindest in West End, einen malerischen Ort mit einem gewissen Eveninglife, Nightlife wäre wohl zu viel gesagt. Ohne Zögern kann und sollte man das günstige Angebot der Straßenköche nutzen: In schäbigen Hauseingängen oder an der geöffneten Autoklappe werden Kochgelegenheiten improvisiert und wirklich leckere einheimische Gerichte frisch zubereitet.