MANATIS DER KARIBIK
Manatis sind groß, nein riesig, und die Begegnung mit den süßen Dickhäutern ist ein unvergessliches Erlebnis: In den Flussläufen des Crystal River in Florida ist es offiziell erlaubt, in freier Wildbahn mit den eindrucksvollen Säugern zu schnorcheln – in den Wintermonaten leben Hunderte der neugierigen Rundschwanzseekühe in den Gewässern.
Die meisten Schnorchler sind schockverliebt bei der ersten Begegnung mit den drolligen Manatis: Plötzlich taucht direkt vor der Maske eine riesige Knautschnase auf, als wollte sie dem Schnorchler, der sich an seine Styopor-„Poolnoodle“ klammert einen Schmatzer auf die Backe drücken. Der kleine Kopf mit schwarzen Knopfaugen verschwindet hinter der breiten Oberlippe und hunderten von Tasthaaren. Meistens tauchen sie nur kurz zum Luftholen auf, aber interagieren auch gern mit Menschen. „Mich haben die Manatis schon öfter geküsst“, sagt Matthew Wilburn von der Manatee-Tour. „Die Tiere können nicht besonders gut sehen – also bildet euch nichts drauf ein, wenn es passiert“, lacht der Kapitän. „Seekühe lieben es auch an den Ankerseilen zu knabbern. Das könnt ihr öfters beim Einstieg oder Ausstieg an der Leiter beobachen. Die riesige gespaltene Oberlippe kann auf jeder Hälfte unabhängig von der anderen bewegt werden.“
WILLKOMMEN IN DER WELTHAUPTSTADT DER MANATIS
Die Tiere sind das Wahrzeichen Floridas. Kaum eine Ecke in der Nähe vom Crytal River, die nicht auf die Seekühe verweisen. Der Welthauptstadt-Slogan wird hier gelebt: Schilder, Skulpturen, Wandbilder – selbst die Straßenlaternen sind mit Manatis verziert. Wer die Tiere sehen möchte, sollte am Vortag anreisen, denn Seekühe sind morgens am aktivsten, daher beginnen die Touren bereits im Morgengrauen. Wenn es auch noch kalt ist und regnet – perfekt. Dann wärmen sich auch die Manatees in großen Gruppen an der Quelle – nur hier ist das Wasser klar und ideal für Fotos!
Wir übernachten im „Crystal Manatee“ einem geräumig und modern eingerichtetem Motel im Seekuh-Design – direkt gegenüber vom Treffpunkt. Um 7 Uhr morgens begrüßen wir Kapitän Matthew Wilburn und unserem Guide Zach Slider von den Hunter Springs Kayaks & Manatee Tour. Wir bekommen eine pädagogische Einweisung zum Thema „Manati-Manieren“ und werden über Verhaltensweisen bei den Begegnungen informiert. „Wenn Ihr zum ersten Mal ins Wasser geht, werden ihr vielleicht von der Größe dieser süßen Giganten überwältigt sein. Aber bitte nicht herumzappeln, laut padden und bitte nicht die Tiere anfassen,“, bittet Matthew die Schnorchelgruppe. Manatis werden bis zu 4,50 Meter lang und können bis zu einer halben Tonne Gewicht auf die Waage bringen. „Aber keine Panik – sie werden Euch nichts tun. Die Pflanzenfresser ernähren sich von Seegräsern, Wassersalat oder Grundnesseln. Entspannt Euch, schwebt an der Oberfläche und genießt dieses einzigartige Erlebnis. Je ruhiger ihr seid, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Seekuh ganz nah zu uns kommt“, betont unser Guide Zach.
GRAUE ZEPPELINE UND COUCH-POTATOES
Die drei- bis vierstündige Tour führt entlang unbewohnter Inseln, kleiner Quellen und Höhlen. Je nach Standort kann man mit Glück auch Delfine, Schildkröten und Otter oder seltene Vogelarten beobachten. Hauptattraktionen im National Wildlife Refuge sind natürlich die Seekühe in der Kings Bay. Unser Guide Zach steigt die Safariboot-Leiter herunter ins Wasser. Flossen sind nicht erlaubt, weil sie durch das Geräusch die Seekühe erschrecken. Für viele Schnorchler und Taucher sind Wasserlage und Schwimmgefühl ohne Flossen gewöhnungsbedürftig. „Ganz schön kalt!“, ist der erste Eindruck, aber nach ein paar Schwimmbewegungen wird einem schnell warm. Spätestens beim Anblick der Tiere, denn um die 30 Seekühe sind bereits hier: Wie graue Zeppeline liegen sie regungslos auf dem Grund des Flusses. Die meiste Zeit verbringen sie mit Fressen und Schlafen – klingt nach einem erfülltem Couch-Potatoe-Leben. Eine der Seekühe fühlt sich von den der Spiegelung des Domeports eines Unterwasserfotografen animiert. Das 3-Meter große Manati wickelt seine Flossen um das Bein des Fotografen. Eine andere Seekuh nähert sich bis auf wenige Zentimeter der Maske meines Buddies. Die „Gentle Giants“ haben keine natürlichen Feinde weil sie für Haie und Alligatoren zu groß sind. Aus der Nähe kann man die kleinen Zehennägel an den Flossen sehen, die an die eines Elefanten erinnerten denn diese Dickhäuter sind der nächste lebende Verwandte der Seekühe. „Manatis werden bis zu 70 Jahre alt und können sich wie Elefanten jahrelang an dich erinnern. Also bloss nicht ärgern“, versichert Zach, der wie der Kapitän in Crystal River aufgewachsen ist und schon mehrere 1000 male mit den Tieren geschnorchelt ist.
DUGONG ODER MANATI?= GABELSCHWANZ- ODER RUNDSCHWANZSEEKUH?
Dugong oder Manati – was ist der Unterschied? „Manatis leben in Süßwasser und Dugongs fast ausschließlich in Salzwasser. Die größten Unterschiede sind die Strukturen ihrer Schwänze und Schnauzen. Die Vorderbeine bei Manatis sind zu Flossen umgebildet, und statt Hinterbeinen haben Rundschwanzseekühe wie der Name es schon sagt einen paddelförmigen Schwanz, der sich beim Schwimmen auf und ab bewegt wie bei einem Biberschwanz. Dugongs haben einen geschuppten Schwanz, der aus zwei separaten Lappen besteht, die in der Mitte miteinander verbunden sind – deshalb heißen sie auch Gabelschwanzseekühe. Die Schnauze eines Dugongs ist breit, kurz und rüsselartig. Manatis haben hingegen eine geteilte Oberlippe und eine kürzere Schnauze, damit sie sowohl Nahrung am Grund als auch nahe der Wasseroberfläche fressen können. Dugongs haben überwachsene Schneidezähne, die an der Vorderseite des Mundes sitzen. Diese ähneln kleinen Stoßzähnen. Sie sind nur bei erwachsenen männlichen Dugongs sichtbar und kommen bei Manatis überhaupt nicht vor. Diese haben eine sogenannte ,Hind molar progression’, auch bekannt als „wanderende Backenzähne“, denn den Tieren wachsen ständig Backenzähne in den hinteren Mundwinkeln“, informiert Matthew Wilburn.
NOVEMBER BIS APRIL IST HOCHSAISON
Nach der ersten Schnorcheltour gibt es eine heiße Schokolade. Nach der ersten 40-minütigen Schnorcheltour sind alle durchgefroren. Die Sicht ist hier nie besonders gut – aber das trübt das Erlebnis in keinster Weise. „Glasklares Wasser werdet ihr an den Three Sisters Spings erleben. Hoffen wir, das sich dort ein paar Seekühe aufhalten“, ruft Zach herüber. „Wenn ich so eine dicke Fettschicht wie die Manatis hätte würde ich auch nicht frieren“, sagt Stefan aus Hannover, der schon den zweiten Tag hintereinander diese Tour gebucht hat. „Die sind nicht dick und haben auch keine vor Kälte schützende Fettschicht wie ich“, feixt Zach. „Man sollte es kaum glauben, aber das meiste ist Muskulator und so frieren die Seekühe schnell – deshalb sind sie hier“, erläutert Matthew das Verhalten der Tiere. „Sie kommen immer zwischen November und April, wenn das Wasser im Golf von Mexico abkühlt. Es gibt aber auch eine kleine Population die permanent das ganze Jahr über in der Kings Bay sind. Ansonsten sind im Homosassa Springs Wildlife State Park ein paar Manatis, die nicht mehr alleine in der Wildnis leben können.“
RUHEZONEN FÜR TRÄGE DICKHÄUTER
Rundschwanzseeküge können sowohl tag- als auch nachtaktiv sein. Einer sechs- bis achtstündigen Fressphase folgt eine sechs- bis zehnstündige Ruhephase, bei der sie sich entweder unter der Wasseroberfläche treibend oder am Grund liegend aufhalten. Die Dauer der Tauchgänge ist variabel, sie beträgt durchschnittlich rund fünf Minuten, allerdings können die Tiere bis zu 20 Minuten unter Wasser bleiben. Über das Sozialverhalten gibt es unterschiedliche Berichte: sie leben entweder einzelgängerisch oder in kleinen Familiengruppen. Manchmal bilden mehrere Tiere lose Zusammenschlüsse, etwa bei der Nahrungsaufnahme. Viele der Seekühe ruhen in ihrem durch Seile und Bojen abgegrenzten Schutzgebiet, das weder per Boot, Kayak noch schwimmend zugänglich ist. „Die Tiere sollen nicht gestört werden wenn sie fressen, ein Kalb stillen oder einfach nur ein Nickerchen machen möchten“, sagt Zach, der wie alle Guides darauf achtet, dass sich die Gäste auch an die Regeln halten halten, denn die Manatis gehören immer noch zu den gefährdeten Arten. „Die Seekühe darf man nur berühren, wenn sie auf einen zukommen und den ersten Kontakt suchen. Also nicht auf sie zu schwimmen, stören oder füttern!“, betont Zach. Viele Manatis haben Verletzungen und Narben von Schiffsschrauben. Gibt es eigentlich Alligatoren hier? „Ja es gibt auch in Crystal River Alligatoren. Aber sie halten sich nicht in der Näher der Seekühe auf. Außerdem ist das Wasser hier sehr klar, sodass Alligatoren hier keinen guten Unterschlupf finden“, so Matthew.
485 MANATIS AN DER QUELLE
Three Sisters Springs ist das Kronjuwel der siebzig Quellen von Kings Bay und gilt als „Jungbrunnen“. 485 Seekühen wurden im Januar 2016 in der ein Hektar großen Quelle gezählt – Rekord! Die Sicht ist hier sehr gut – heute ist leider nur eine Seekuh hier – Natur! Dieser Spot kann nur mit dem Kayak erreicht werden. Rund um die Plattform sind auch ein paar Wanderwege angelegt, über die es allerdings keinen Zugang zum Wasser gibt.
Nach drei Schnorcheltouren ist auch der letzte Gast reif für eine heiße Dusche. Viele Besucher buchen die Tour für mehrere Tage – einige sind Wiederholungstäter und bleiben für eine Woche hier, weil sie von den Manatis nicht genug bekommen. Auch wir werden die Begegnungen nie vergessen, während wir eingewickelt in Handtüchern, heißen Kaffee schlürfen und uns über die Erlebnisse mit den urigen Giganten austauschen.
INFOS
ANREISE
Eine Kombination einer Florida-Keys-Reise mit dem Crystal River ist empfehlenswert, denn Florida erkundet man ohnehin am Besten mit einem Mietwagen.
CRYSTAL RIVER
Die Golfküste, das sogenannte „Nature Coast“ von Florida, ist ein Öko-Tourismus-Paradies. Besonders für Schnorchler, Sporttaucher, Kajakfahrer und Wassersportler. Die Stadt liegt mitten im Herzen der Naturküste von Florida in der Kings Bay Bucht. Die Atmospähre in der Kleinstadt Crystal River ist äußerst relaxed, die Bewohner sind sehr freundlich – und die meisten Bars, Motels, Restaurants und die Startpunkte für die Touren kann man zu Fuß erreichen. Die Hauptattraktion in Crystal River sind die vielen Seekühe. Daher nennt sich Crystal River auch „Welthauptstadt der Manatis“.Von November bis April leben mehr als 400 Tiere hier. Es gibt aber auch eine kleine Population die permanent das ganze Jahr über in der Kings Bay sind.
MANATI-TOUREN
Die geführten drei- bis vierstündigen Touren kosten um 70 US-Dollar pro Person. Dabei lernt man viel von Manatis. Maske, Schnorchel und einen 3-mm-Neoprenanzug sind im Preis inbegriffen.
Es gibt auch Kajakverleih und Kajak-, Sightseeing- und Scalloping-Touren. Ein Trinkgeld von 15-20 Prozent ist für Bootskapitäne, Guides und Server in Florida üblich.
WOHNEN
ESSEN
Vintage On 5th, Das Vintage on 5th ist ein beliebtes Ausflugsrestaurant: Exzellenter Service in einzigartiger Atmosphäre. www.vintageon5th.com,
Kane’s Cattle Company, Casual Fine Dining Steakhouse, www.facebook.com/kanescattleco
Im 210 Hektar großen Ellie Schiller Homosassa Springs Wildlife State Park hat man das ganze Jahr über die Gelegenheit, Seekühe zu sehen ohne nass zu werden. Hier pflegt und kümmert man sich um verletzte und kranke Manatis. Im Park gibt es ein Schaubecken, von dem man das treiben beobachten kann. Der Park gibt auch Informationen über die anderen Tiere in der Umgebung, wie Schwarzbären, Luchse, Hirsche, Otter und natürlich auch Alligatoren. Die meisten Tiere leben hier, da sie in der Wildbahn nicht mehr überleben würde.
www.floridastateparks.org/parks-and-trails/ellie-schiller-homosassa-springs-wildlife-state-parkTOUREN
Die nahen Kleinstädte Inverness und Floral City bieten optimale Bedingungen für Radfahrer. Der 74 Kilometer lange asphaltierte Withlacoochee State Trail zieht sich durch üppige Wälder und passiert funkelnde Seen und bezaubernde kleine Ortschaften. Für den elf Kilometer langen Radweg durch die Kiefernwälder, Auen- und Sumpflandschaften im Crystal River Preserve State Park sind Mountainbikes perfekt.
WEITERE INFOS
Discover Crystal River: www.discovercrystalriverfl.com
Visit Florida: www.visitflorida.com