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Jamaika: Dreadlock-Holiday

Mit einem „Ya man“ ist man nah dran am Pulsschlag der legendären Karibikinsel. Rastafari und Reggae, Dschungel-Landschaften, Traumstrände und Korallenriffe. 007-Autor Ian Fleming hatte hier sein Domizil „Golden Eye“. Kein Wunder, dass James Bond oft auf Jamaica-Mission war.

 

Wir fahren durch tiefgrüne Regenwald-Landschaften und erleben immer wieder neue Facetten dieser unfassbar schönen Insel: Nur wenige Kilometer weiter passieren wir ein charmantes Durcheinander aus winzigen Verkaufsständen und baufälligen Relikten am Straßenrand. Links und rechts stehen Wellblechbehausungen, vor denen Hunde in der Hitze dösen und Locals Früchte wie Akees und Otaheite-Äpfel anbieten. Die Armut ist sichtbar, aber die Atmosphäre ist relaxed und freundlich. Wir halten an, um ein paar Snacks zu kaufen, als plötzlich ohrenbetäubende Bässe den Asphalt zum Beben bringen. Ein mit meterhohen Boxenwänden beladener Pick-up parkt neben uns. Unter den drückenden Dancehall-Beats vernimmt man ein leises „Wha gwaan?“. Der Fahrer der rollenden Disko grüßt unseren Guide Dennis Carey. „Notten. Ya man!“, ruft er laut zurück. Übersetzt heißt das in etwa: „Was geht ab?“ „Nix!“ Kein typischer jamaikanischer Patois-Smalltalk ohne die Schlussfloskel „Ya man“. Keine Party ohne „Soundsystems“. Allein die Darstellung der schwarz-gelb-grünen Nationalflagge genügt, um stereotype Bilder Ganja rauchender Dreadlock-Rastafaris und Rumpunsch trinkender Party-Touristen am Karibikstrand ins Leben zu rufen. Aber auch das ist Jamaika: Dieses kapillarartige Wirrwarr aus zusammengehämmerten Holzlatten und Autowrackteilen sind die Wohnhäuser vieler Einheimischer. „Es gibt Armut, aber das Land ist grün und die Sonne scheint“, versichert Carey und dreht das Autoradio lauter, um die Lyrics eines Black-Uhuru-Klassikers mit unwiderstehlicher Begeisterung mitzusingen. Easy Going und Reggae sind der Rhythmus und Pulsschlag der Insel, die von Ost nach West über den raueren Süden entlang an Rumdestillerien und Kaffeeplantagen bis zur resortbesetzten Nordküste das Leben bestimmt. „Ya man!“

MARINEPARKS MIT FISCHFANGVERBOT

Wir sind mit unserem Guide zur Runaway Bay unterwegs, um die Unterwasserwelt kennenzulernen. Der Jamaikaner möchte uns so viel wie möglich von der Insel zeigen und ein Vorurteil widerlegen, Jamaika sei nichts für Taucher. „Die Überfischung ist ein Problem, aber seit 2010 wurden rund um Jamaika 17 Marineparks ausgewiesen“, informiert uns Carey. In diesen Zonen sei das Fischen strengstens verboten, Mangroven wurden gepflanzt, Korallenriffe und Seegraswiesen konnten sich erholen. Bei unseren beiden Tauchgängen mit Camillo Trench vom Discovery Bay Meereslabor in der Runaway Bay treffen wir auf quirlige Schwärme mit vielen kleinen Fischen und einer wunderschönen Unterwasserlandschaft mit Korallen und gelben und violetten Röhrenschwämmen. „Der Fischbestand hat sich um unglaubliche 500 Prozent erhöht“, sagt Trench, rund eine Autostunde westlich von Montego Bay und beendet seinen Satz mit einem „Ya man!“ 

Jamaika, Flagge, Karibikguide + USA
Karibik Guide

JAMAIKA

Jamaika: Wunderschöne Strände und die Geburtsstätte des Reggae und Ska, Rastsafari-Kultur und James-Bond-Autor Ian Fleming.

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TAUCHEN VOR „GOLDEN EYE“ 

Unser Eindruck wird rund 50 Kilometer weiter östlich, in Oracabessa, bestätigt. Im hiesigen Schutzgebiet am James Bond Beach gibt es ein Korallenaufbauprogramm (www.oracabessafishsanctuary.org). Die ausgedienten Fischfangkäfige am Strand sind stumme Zeugen der Vergangenheit: „Früher, in den 1980er-Jahren, gab es Hunderte von Conchs im Wasser“, erinnert sich Carey.  Gegessen wird die Fechterschnecke immer noch, aber sie ist bereits von vielen Speisekarten verschwunden. „Überfischung und Umweltverschmutzung“, benennt Trench die Probleme, die gelöst werden sollen.

Der James Bond Beach liegt gegenüber von Golden Eye, dem ehemaligen Anwesen des 007-Autors Ian Fleming. Das frühere Domizil ist seit Jahren eine exklusive Ferienanlage. Eigentümer Chris Blackwell, Gründer des Musiklabels Island Records, war in jungen Jahren als Location Scout für den ersten Film tätig: Sean Connery alias James Bond jagt Dr. No auf Jamaika. Bei Ocho Rios entstieg Ursula Andress in ihrem für das Jahr 1962 skandalösen Bikini den karibischen Wogen. Diese Bilder prägen bis heute die Fernwehfantasien von Traumstränden und türkisblauem Meer. Auch die 007-Abenteuer „Leben und sterben lassen“ von 1973 und „Der Mann mit dem goldenen Colt“ von 1974 wurden zum Teil auf der Insel gedreht. 

FLOSSSFAHRT AUF DER BLAUEN LAGUNE 

Ein weiterer Hollywood-Streifen, der zum Teil hier gedreht wurde, ist, neben „Papillon“ (1973), „Die blaue Lagune“ (1980). In Port Antonio, kann man ein Bambusfloß mieten und über das Blau der Blue Lagoon schippern. Im Tagesverlauf wechselt das Wasser seine Farbe von Türkis bis Königsblau. 

Plötzlich fallen dicke Tropfen vom wolkenverhangenen Himmel. Nur wenige Minuten später erhellen Sonnenstrahlen die Naturszenerie – diese kleinen Schauer sind typisch zur Regenzeit. Wir erreichen das üppig bewachsene Portland. Hier im East Portland Fish Sanctuary wird die Regeneration von Mangroven und Riffen gefördert. Die Bucht ist wunderschön, sogar Delfine lassen sich blicken. „Wir wollen das Tauchen populär machen“, erklärt uns Jan Lee Widener von der Tauchbasis Lady G’Diver in der Marina Errol Flynn. Denn mit den Tauchern kommt nicht nur Geld, sondern auch ein Umweltbewusstsein. 

Wie ist das mit der Kriminalität auf der Insel? Das Auswärtige Amt warnt ja immer wieder. „Man sollte sich über die Probleme bewusst sein. Viele Jamaikaner sind sehr arm, und wenn Touristen unvorsichtig mit teurem Schmuck herumlaufen, kann das einige zum Diebstahl verlocken. Aber Angst müssen Urlauber beim Herumreisen wirklich nicht haben. Es gibt sogar eine ausgebildete Touristen-Polizei. Einfach auf Land und Leute einlassen. Wer Respekt zeigt, wird auch genauso behandelt. Apropos, wenn ihr wegen Marihuana angeprochen werdet. Seit 2015 dürfen Erwachsene für den Eigenbedarf 50 Gramm Ganja besitzen“, sagt Carey. 

HOME COOKED MEAL IN PORT ANTONIO 

Wir übernachten in Port Antonio in den Goblin Hill Villas. Von einem Tropengarten aus blickt man auf die San San Bay. Zwei Köchinnen machen sich in der Küche unserer Villa zu schaffen. Das nennt sich hier „Home cooked meal“ und ist extrem liebenswürdig und einzigartig. Die Frauen servieren Jerk-Chicken, Süßkartoffeln, Kochbanane, rote Bohnen und Kürbis mit einer scharf-süßen Soße. Dazu gibt es eiskaltes Red Stripe, das jamaikanische Lagerbier aus den kugelförmigen Flaschen – und einen Rumpunsch. 

Nur rund drei Millionen Menschen leben auf Jamaika. Und dennoch hat die Karibik-insel tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen: Von hier stammen neben Ska und Reggae Musikrichtungen wie Dub, Dancehall, Ragga und Rocksteady, die weltweit Gehör finden. Von hier kommen seit Jahren auch die besten Sprinter der Welt wie Legende Usain Bolt und kurioserweise auch ein Bobteam, das bei Olympischen Winterspielen am Start ist. Die Farben der Nationalflagge haben sogar deutsche Journalisten zur Bezeichnung einer erstaunlich wirkungslosen politischen Koalition inspiriert.

Hierher hat es immer wieder die Mondänen der Welt gezogen. „Wusstet ihr, dass Errol Flynn auf Jamaika das Rafting erfunden hat?“, erkundigt sich Dennis Carey. Als Partyspaß für seine Gäste stattete er die Bambusflöße, die für den Transport von Früchten aus den Berghöhen genutzt wurden, 

KINGSTON: REGGAE UND PORT-ROYAL

Weiter geht unsere Fahrt nach Kingston. Im Zentrum jeder jamaikanischen Stadt gibt es einen Platz mit einer großen Standuhr, ganz nach altenglischem Vorbild. Es herrscht geschäftiges Treiben an Andenkenshops und Jerk-Grillständen. Pflichtbesuche sind das Bob-Marley-Museum sowie Trench Town Culture Yard. Wer Reggae live und in familiärer Atmosphäre erleben will, sollte unbedingt den Jamnesia Surf Club (www.jamnesiasurf.com)  in der Bull Bay, östlich von Kingston, besuchen. Dieses bunte Utopia ist Surfschule, Bar, Jam-Club, Restaurant und alternatives Hotel. Betreiber ist Musiker und Surflegende Anthony Wilmot, alias Billy Mystic. Hunderte ausgedienter Boards dienen als Dekoration. Samstags gibt es häufig selbstorganisierte Jam-Sessions im Hof. Wer glaubt, in Kingston an jeder Ecke Reggae- oder Dub-Konzerte zu erleben, wird enttäuscht sein. In der Hauptstadt ist weniger los als in einem deutschen Provinznest. „Es ist ein Skandal, dass es hier so wenig Festivals und Clubs gibt! Ich verstehe unsere Regierung nicht, dass es keine kulturelle Unterstützung für Live-Musik gibt“, ärgert sich Billy Mystic.  

Wir reisen in die Vergangenheit: Unser Ziel ist Port Royal, eine Insel vor Kingston, deren größter Teil beim Erdbeben und anschließendem Tsunami im Jahr 1692 vom Meer verschluckt wurde. 6000 Menschen, vor allem Piraten, lebten dort, 3000 von ihnen ertranken. Noch heute leben die Nachfahren der Piraten in der „Wicked City“. Die Spuren der teilweise senkrecht versunkenen Stadt wurden in einem Forschungsprojekts untersucht. 

Wir tauchen heute mit Jaedon Lawe von der Tauchbasis Yardie Divers. Unser Ziel: die „Texas“, ein Wrack, das südöstlich von Port Royal liegt und nach einer Kollision auf 30 Meter Tiefe gesunken ist. Der Stahlkoloss ist mit schwarzen Korallen bewachsen und birgt eine enorme Fischpopulation. Tarpune und Barrakudas beäugen uns neugierig. Die Crew macht Jagd auf eingewanderte Rotfeuerfische, damit der Fischnachwuchs eine Chance hat. Ein schönes Fleckchen Erde mit einzigartigem Charme. Es riecht nach Aufbruch in Jamaika: Die Meeresschutzgebiete sollen den Fischreichtum zurückbringen. Nachhaltiger Tourismus könnte viele Probleme lösen. Unser Guide hofft, uns wieder begrüßen zu dürfen, um von den Fortschritten zu berichten. Es liegt ein „Ya man“ in der Luft. Gefolgt von den Worten Bob Marleys „One love, one heart, let’s get together and be all right.”

 

KINGSTON
BOB MARLEY MUSEUM

Der weltberühmte „Buffalo Soldier“ ist der Nationalheld von Jamaika. Sein ehemaliges Haus mit Tonstudio in Kingston zeigt das Schaffen des Musikers. Im Trench Town Culture Yard kann man eine Führung durch das Viertel der Stadt machen, in dem er aufgewachsen ist.  

www.bobmarleymuseum.com

BILLY MYSTIC

Surf- und Musik-Legende Billy Mystic (links unten) vorm Jamnesia Surf Club in Kingston. In den Farben der Nationalflagge leuchten die Regenwälder und Schwämme. Feine Sandstrände, Soundsystems und Roots-Reggae: von der Piratenhochburg Port Royal bis zu den Touristenorten Negril, Montego Bay und Ocho Rios. Vasenschwämme und Gorgonien Feel the vibe: Das Herz Jamaikas sind die liebenswerten und relaxten Einwohner der Insel. Aufgrund der reichhaltigen Natur sind Wander- und Radtouren, Vogelbeobachtung und Rafting auf Jamaika populär.

FILM-LOCATIONS
JAMES-BOND-KROKODILFARM

Die Szene aus „Leben und sterben lassen“ (1973), bei der sich Roger Moore als 007 mit einem Lauf über fünf Krokodilrücken befreit, wurde auf der „Jamaica Swamp Safari“ bei Falmouth gedreht. Am Eingang macht ein Schild klar: „Unbefugte werden gegessen!“ Der Eigentümer agierte als Stuntman und war Namensgeber des Filmbösewichts. „Unser Boss hieß wirklich Kananga“, klärt uns Guide Donald Roach auf, der bei den Dreharbeiten dabei war. 

www.jamaicaswampsafari.com

JAMAICA

Die drittgrößte Insel der Großen Antillen ist mit einer Fläche von 11 000 Quadratkilometern etwa dreimal so groß wie Mallorca. Rund drei Millionen Einwohner leben hier. In Kingston allein mehr als eine halbe Million Menschen. Regenwald und  Mangroven bieten eine abwechslungsreiche Natur.

„MEET THE PEOPLE“-PROGRAMM  

Die beste Gelegenheit, Jamaikas Lifestyle kennenlernen, ist das „Meet the People“-Programm. Locals zeigen interessierten Touristen kostenlos, was sie an ihrem „Island in the sun“ lieben.

 www.visitjamaica.de

INFOS

Anreise

Flugzeit ab Frankfurt rund 11,5 Stunden. Direktflüge gibt es ab Köln, Düsseldorf und München.

Klima UND Reisezeit Ganzjährig warm. Während der Regenzeit von August bis November kommt es häufig zu kurzen, kräftigen Regengüssen. Hauptsaison: Dezember bis März.   

Mobilität

Linksverkehr! Beliebt sind die Route-Taxis mit den roten Nummernschildern. Feste Haltestellen gibt es nicht, Preis 100 Jamaica-Dollar (65 Cent) für zehn Kilometer. Bus: www.knutsfordexpress.com. 

Aktivitäten  

Tagestouren:  www.things-to-do-in-jamaica.com; Bob-Marley-Museum: www.bobmarleymuseum.com; Fort: www.visitjamaica.de

Tauchen

Montego Bay: Kellys Water Sport, www.kellyswatersportsja.com 

 Dressel Divers, www.dresseldivers.com  

Port Antonio: Lady G’Diver, www.ladygdiver.com

Kingston: Yardie-Divers, www.yardieconserve.com

Negril: Negril Fun Diving, www.negrilfundiving.com

Hotels

Goblin Hill Villas, Port Antonio: www.goblinhillvillas.com

Runaway Bay: www.jewelresorts.com  

Sechs Riu-Hotels gibt es auf Jamaika: www.riu.com. 

Sieben Sandals-Resorts: (zwei Tauchgänge pro Tag inklusive) www.sandals.de

Guesthouses: www.visitjamaica.de

VERANSTALTER

www.rcf-tauchreisen.de

TOURISTBOARD

www.visitjamaica.de

 

Michael Krüger

Ist in der Medien- und Musikszene als Journalist, Texter und Kreativer aktiv. Nach Studium, Akademie & Volontariat fest oder frei in Redaktionen und Agenturen sowie als Reisejournalist und Artworker tätig. Für seine Reisereportagen wurde er mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet.