KARIBIKGUIDE

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Intelligente Flossenträger

Dass Delfine intelligent sind, ist spätestens seit „Flipper“ bekannt. Aber Fische? Selbsternannte Vegetarier verzehren diese Meeresbewohner, als wären sie keine Lebewesen: Viele entwickeln erst Emotionen für Fische, wenn sie mit Weißwein-Marinade in Alufolie auf dem Grill brutzeln. Unsere Verwandten unter Wasser können weitaus mehr, als „Blubb“ sagen und sind keine primitiven Wirbeltiere mit Kiemen, sondern teilweise hoch entwickelte Lebewesen. Die Intelligenz der Fische ist sogar mit Säugetieren oder Vögeln vergleichbar.

Atlantic sailfish

Ihr Lieblingsfisch? Seeteufel mit Chablis“? Kennen Sie auch Vegetarier, die Fisch essen? Bin ich Vegetarier, weil ich keine Hunde verzehre? Ich fragte mal einen Pseudo-Veggie, wie er es ethisch vereinbaren könne, Fische zu verspeisen. Seine Antwort: „Fische schreien nicht, wenn sie getötet werden!“

Wer die Meeresbewohner für stumme, dumme und emotionslose Lebewesen hält, sollte sich unbedingt das Buch „Was Fische wissen“ von Jonathan Balcombe besorgen (www.mare.de). Bei der Lektüre wird deutlich, dass diese Tiere strategische und soziale Lebewesen sind und erstaunliche Fähigkeiten besitzen. Fische sind zu kognitiven Leistungen fähig und können Freude und Schmerz empfinden. Viele Taucher kennen zutrauliche Zackenbarsche, die am Hausriff leben, oder Stachelrochen, die halb aus dem Wasser kriechen, um ihren menschlichen Buddys „die Flosse zu geben“. Die „Queen of Mantas“, Dr. Andrea Marshall, forscht seit mehr als zehn Jahren vor Mosambik an diesen sehr sozial lebenden Tieren, die sie als „Schimpansen der Meere“ bezeichnet.

Bekannt ist die Intelligenz der Meeressäuger und Mollusken. Und Fische? Zu Haien haben gerade einige Taucher eine besondere Beziehung: Jim Abernethy zeigt im millionenfach angeklickten YouTube-Video „Are sharks like dogs?“, wie begeistert sich der gewaltige Tigerhai „Tarantino“ am Kopf kraulen lässt. Navy Seal Scott Cassell erzählte, dass ihn eine Vier-Meter-Weißhai-Dame vor fast 30 Jahren zum Tierschützer gemacht hat. „Spots“ hat ihn immer begrüßt und ist mit ihm zusammen geschwommen. Als das Tier eines Tages illegal von einem Flossen-Jäger geschlachtet wurde, ging Cassell auf die Barrikaden und wurde aktiver Meeresschützer. Auch das Fisch-Video von Hiroyuki Arakawa ging um die Welt: Bei einem Tauchgang päppelte der Japaner den Schafskopf-Lippfisch „Yoriko“ mit Krabben auf. Seit 25 Jahren dankt ihm das Tier dies mit Liebkosungen.

Das sind keine kuriosen Einzelfälle: Unsere Verwandten unter Wasser haben in Millionen Jahren der Evolution hoch spezialisierte Sinnesfähigkeiten und Kommunikationsformen entwickelt. Mittlerweile ist bekannt, dass Fische hören, sehen, schmecken, riechen und fühlen können. Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass sie auch Schmerzen und Genuss empfinden. Fische sind nicht stumm: Viele erzeugen Geräusche mit der Schwimmblase, den Zähnen oder den Gräten. Wasser ist für die Übertragung von Geruchsstoffen perfekt. Wenn sie Angst haben, verbreiten einige Tiere Stoffe, durch die Artgenossen schnell wissen, dass Gefahr droht. Die Fähigkeiten zur Wahrnehmung von Geruch und Geschmack sind unter den meisten Fischarten weit entwickelt. Das Geruchsvermögen von Haien ist zehntausendmal sensibler als das des Menschen. Viele Fische können Signale wahrnehmen, die uns verborgen bleiben. Karpfen besitzen bis zu 300 Geschmacksnerven pro Quadratzentimeter – mehr als der ihn verzehrende Gourmet.

Fische benutzen auch Werkzeuge: Der Anker-Zahnlippfisch bricht Muscheln mit Steinen auf. Auch Teamwork ist gefragt: Zackenbarsche gehen gern mit Muränen, Makrelen mit Seeschlangen gemeinsam auf Jagd. In einem Versuch mit Goldfischen wurde jedem Tier ein Schlauch mit einer festen Farbe mit Nahrung zugewiesen. Als der Test ein Jahr später mit den gleichen Fischen wiederholt wurde, erinnerten sich die „Goldies“ und wählten die Schläuche mit „ihrer Farbe“ aus. So viel zur Legende vom 3-Sekunden-Gedächtnis der Goldfische. Fische werden häufig unterschätzt und erhalten selten das Mitgefühl wie warmblütige Wirbeltiere. Kaum ein Lebewesen wird erbarmungsloser gejagt: Wenn weiter mit 100 Kilometer langen Treibnetzen und hohen Beifangquoten geplündert wird, sind die Meere laut Prognosen in 30 Jahren leer gefischt! Studien zeigen übrigens, dass auch Fische zu Problemlösungsverhalten fähig sind. Vielleicht sollten wir von unseren Verwandten lernen und uns fürsorglicher zeigen?

Michael Krüger

Ist in der Medien- und Musikszene als Journalist, Texter und Kreativer aktiv. Nach Studium, Akademie & Volontariat fest oder frei in Redaktionen und Agenturen sowie als Reisejournalist und Artworker tätig.