KolumneKreuzfahrtUmweltschutz

Smoke on the Water

Kreuzfahrten boomen: Welchen ökologischen Schaden richten die rund 600 Kreuzfahrtschiffen an, die weltweit die Küsten verräuchern? Gut, dass die „Nova“ auf Schweröl verzichtet. Klasse, dass Hurtigruten 2019 die Flotte mit zwei Hybridschiffen erweitert. Die Frage ist: Was ist mit den anderen? MSC Cruises baut 2023 das zweite mit Flüssiggas (LNG) betriebene Schiff, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Side of a Cruise Ship

150 TONNEN SCHWERÖL PRO TAG

Die 28 Millionen Kreuzfahrttouristen werden kaum auf ihr Vergnügen verzichten wollen. Aber bei den alten Dieselfahrzeugen wurde ja auch eine Lösung gefunden. Die meisten Autos wurden nicht verschrottet, sondern ins Ausland verkauft. Dort, so munkelt man, soll das Weltklima völlig anders sein als bei uns! Das Hauptproblem der riesigen Cruiser ist der Treibstoff: Selbst moderne Kreuzfahrtschiffe tanken Schweröl und verbrauchen davon täglich im Schnitt 150 Tonnen der dickflüssigen Raffinerie-Pampe. Das giftige Abfallprodukt der Petrochemie enthält 3500 Mal mehr Schwefel als auf Europas Straßen für Autos erlaubt wären. Was auf dem Meer passiert, scheint niemanden zu kümmern. Dass im Jahr 2018 weitere Schiffe auf den Markt kommen, die auf Schweröl als Treibstoff ausgelegt sind und keine wirkungsvolle Abgastechnik einsetzen, ist ein Skandal.

DIE 15 GRÖSSTEN CRUISER STOSSEN MEHR CO2 AUS ALS ALLE AUTOS WELTWEIT

Große Kreuzfahrtschiffe verbrauchen viel Energie und verursachen beträchtliche Emissionen: Der Naturschutzbund NABU gibt an, dass ein Kreuzfahrtschiff pro Tag so viel Schwefeldioxid wie gut 376 Millionen Autos, CO2 wie fast 84 000 Wagen und so viel Feinstaub wie eine Million Kraftfahrzeuge erzeugen soll. „Die 15 größten Seeschiffe der Welt stoßen jährlich mehr schädliche Schwefeloxide aus als 760 Millionen Autos weltweit“, behauptet Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg. Auch wenn die Zahlen für Diskussionsstoff sorgen können, fragt man sich: Warum dürfen die Cruiser so umweltschädlich in See stechen? Im Gegensatz zum Straßenverkehr, in dem Rußpartikelfilter verpflichtend sind, gibt es keine gesetzlichen Vorschriften für Kreuzfahrtschiffe.

In den großen Hafenstädten Europas leiden die Menschen unter der Luftschadstoffbelastung durch die Kreuzfahrtindustrie. Der NABU fordert Einfuhrverbote ab 2020 in Hafenstädte und schützenswerte Regionen, wie den norwegischen Fjorden. In Hamburg scheint das vergessen zu sein, wenn der Ein- und Auslauf der „Queen Mary 2“ von Tausenden am Elbufer zelebriert wird. Als eines der weltweit bekanntesten und attraktivsten Kreuzfahrtschiffe mit 345 Metern Länge, hätte das Schiff die „Titanic“ um fast 100 Meter überragt und lässt viele vergessen, welche Umweltschäden der Gigant anrichtet.

DICKE LUFT AN DECK

Auch die Kreuzfahrer an Bord inhalieren mehr als eine saubere Seebrise. An Deck herrscht dicke Luft, auch wenn die Rußwolken nicht immer sichtbar sind. ZDF-Reporter, die für das Verbraucherformat „Wiso“ den Traumurlaub Kreuzfahrt gecheckt haben, nahmen Stichproben: Während einer Fahrt an Bord der AIDA „Sol“ von den Kanaren nach Madeira ergaben die Aufzeichnungen mit einem mobilen Messgerät für ultrafeine Partikel bis zu 475 000 Partikel je Kubikzentimeter Umgebungsluft. Zum Vergleich: An einem Tag mit Feinstaubalarm im Stuttgarter Ballungsraum wurden Spitzenwerte von 40 000 Partikeln festgestellt.

DIE PASSAGIERZAHLEN HABEN SICH IN DEN LETZTEN ZEHN JAHREN VERDOPPELT

Der Rubel rollt jedenfalls: Bei den Hochseekreuzfahrten hat sich der Umsatz in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Die Passagierzahlen haben sich im gleichen Zeitraum verdreifacht. Weltweit werden im Jahr 2022 rund 30 Millionen Kreuzfahrtgäste erwartet. Angesichts der Umweltauswirkungen ist klar: Kreuzfahrten kann man nicht mit ökologischen Gewissen antreten. Auskunft über die Cruiser gibt es im NABU-Kreuzfahrtranking unter: www.nabu.de, Lake and Palmer

Viele der Dampfer sind leider gigantische Dreckschleudern. Leider verpesten viele anderen die Umwelt mit Schweröl. Wie so häufig gelten Schadstoff-Regelungen nicht fürs Meer. LNG spielt eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Eindämmung des Emissionen. Bleibt zu hoffen, dass weitere Flotten auf Flüssiggas setzen, um den Klimawandel zu stoppen.

Michael Krüger

Ist in der Medien- und Musikszene als Journalist, Texter und Kreativer aktiv. Nach Studium, Akademie & Volontariat fest oder frei in Redaktionen und Agenturen sowie als Reisejournalist und Artworker tätig. Für seine Reisereportagen wurde er mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet.