Kolumne

Der Weiße Hype

Hollywoods liebstes Schreckgespenst ist wieder auf Tour: Mit „The Meg 2“ läuft seit 2023 der neueste Hai-Thriller im Kino. Mehr als 70 solcher Gruselfilme flimmerten seit „Der Weiße Hai“ über die Leinwände und sorgten dafür, dass die Angst vor den bösen „Menschenfressern der Meere“ kontinuierlich befeuert wird.

Great White Shark

Die lange Wikipedia-Liste der Haifilme macht klar, dass der Hai-Hype funktioniert. Egal ob Billig-Grusel, Gaga-Thriller wie „Sharknado“ oder Blockbuster wie „The Shallows – Gefahr aus der Tiefe“. Monsterfisch-Trash lockt jährlich Millionen Zuschauer ins Kino. Kaum zu glauben, dass der Kampf einer Surferin mit einem Weißen Hai in „The Shallows“ (2016) mehr als 110 Millionen US-Dollar einspielte. Die Handlungsstränge sind wie bei der „Mutter“ aller Hai-Horrorfilme von Steven Spielberg ähnlich: Ein intelligenter „Killerhai“ mit riesigen Zähnen terrorisiert Urlauber und reißt der Reihe nach auf grausame Art und Weise attraktive Badegäste in Stücke. Bedrohliche Synthesizerbässe und die durch dunkle Fluten schneidende Rückenflosse kündigen den Dämonen an, bevor CGI-Computergrafik und Hai-Attrappen den Zuschauern das Herz in die Hose rutschen lassen sollen. 2018 sorgt in „The Meg“ zur Abwechslung ein prähistorischer 25-Meter-Megalodon für Terror am Strand. 2021 folgte „Megalodon Rising“ und 2023 geht die Reihe mit „Meg 2″ wie beim Weißen Hai bis unendlich weiter, solange die Kassen klingeln.

TIGERHAIE UND GETRÄNKEAUTOMATEN

Wie üblich wird mit Ängsten gespielt. Und Haie werden meist extrem Furcht einflößend dargestellt. Nichts Ungewöhnliches: Die meisten Medienberichte über die Jäger sind negativ. „Von einem Tigerhai lebendig gefressen zu werden ist eine Alptraum-Vision, auch wenn es wahrscheinlicher ist, dass man vom Getränkeautomaten im Büro erschlagen wird“, sagt David Ropeik, Berater für Risikowahrnehmung und Autor des Buchs „How Risky Is It, Really? („Wie riskant ist es wirklich?“). Es geht um Kontrollverlust: „Der Gedanke, von Haien attackiert zu werden, weckt Urängste“, so Ropeik.

MONSTERHAIE BEISSEN SURFERN DIE BEINE AB

 Das funktioniert auch auf der „Bunten Seite“: „Surfer-Angriff von Monsterhai“ sorgen für Schlagzeilen. Als am 28. Juni 2018 spanische Meeresbiologen vor Mallorca in der Nähe der Baleareninsel Cabrera einen Weißen Hai fotografierten (Fachleute vermuteten, dass es ein Mako-Hai war) schlachtete die Boulevard-Presse das gefundene Fressen im Sommerloch dankbar aus. Die Bild-Zeitung widmete dem Thema eine halbe Titelseite. Mit „wichtigen“ Service-Fragen für Reisende: Welche Strände sind gefährdet? Wie gefährlich sind die Räuber? Und bevor besorgte Urlauber mit der Zeitung unterm Arm auf der Suche nach dem Jäger versehentlich in Petermännchen treten oder von einer Leuchtqualle vernesselt werden, sollten sie nie vergessen, „dass Menschen für den Weißen Hai als Beute nicht interessant sind“, so der World Wildlife Fund (WWF). Um trotzdem einem unwahrscheinlichen Angriff aus dem Weg zu gehen, sollte man darauf verzichten, wie ein Köder zu wirken. Haie greifen an, wenn sie sich bedroht fühlen oder zu viel Fischkadaver im Wasser schwimmt. Bei den Milliarden von Menschen, die sich an Stränden im Wasser tummeln, hätten die Jäger leichte Beute und vermutlich die Hälfte der Menschheit auf dem Gewissen. Nach Angaben der Meeresschutz-Organisation „Sharkproject“ gab es in den vergangenen 200 Jahren nur 37 dokumentierte Angriffe von Weißen Haien. Im Mittelmeer fand die letzte tödliche Hai-Attacke im Jahr 1989 im Golf von Baratti vor Italien statt. Gefährdet sind die Weißen Haie durch Menschen. Skrupellose Jagd hat die Spezies an den Rand der Ausrottung gebracht. Die öffentliche Wahrnehmung ist häufig anders: „Die durch Horrorfilme geweckte Angst schadet dem Haischutz“, urteilt Sharkproject. Selachophobie, die irrationale Angst vor Haien, lässt einige Betroffene selbst am Baggersee schaudern.

DER WEISSE HAI TEIL 19

 In „Zurück in die Zukunft II“ (1989) reist Marty McFly mit der DeLorean-Zeitmaschine ins Jahr 2015 und wird von einem 3D-Trailer „Der Weiße Hai, Teil 19“ erschreckt. „Der sieht ja immer noch wie eine Attrappe aus!“, war sein Statement. Gut erkannt: Trash wie „Roboshark, Hai-Terror aus dem Weltall“ und „Sharknado“ feiern Erfolge. Hier müssen sich fliegende Haie vor Kettensägen, Dinosauriern und Nazis fürchten. Viel Spaß!

Michael Krüger

Ist in der Medien- und Musikszene als Journalist, Texter und Kreativer aktiv. Nach Studium, Akademie & Volontariat fest oder frei in Redaktionen und Agenturen sowie als Reisejournalist und Artworker tätig. Für seine Reisereportagen wurde er mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet.