Reiseberichte

Mythos Havanna: Weltkulturerbe mit morbidem Charme

Havanna wirkt wie ein abgerocktes Barcelona. Das Weltkulturerbe fasziniert und polarisiert: Stillstand wurde auf Kuba jahrzehntelang zelebriert und Armut kaschiert, aber die Parallelwelt ist im Umbruch. Lebensmittelmarken, Ausreiseverbot, Überwachung. Keine Frage: Der Kommunismus ist auch hier am Ende! Wann kommt die Wende?

Aufpolierte US-Dreamcars und notdürftig restaurierte Ostblock-Vehikel röcheln durch die Gassen und sind Bestandteil der unnachahmlichen Geräuschkulisse Havannas: Lautes Gehupe, „Taxi!“-Rufe  – unbekümmert sitzen zwei ältere Herren auf Holzkisten neben der Fahrbahn und spielen Domino. Darüber auf dem maroden Balkon hängt eine junge Frau Wäsche an die Leine. Ein armdicker Kabelstrang baumelt vom Geländer. Die abenteuerliche Installation würde jeden deutschen Elektriker in Schockstarre versetzen – hier ist das völlig normal. Eine Straße weiter in der „Obispo“ klingen pulsierende Salsa- und Sonbeats aus den unzähligen Bars. Hier verrenken sich Europäer zu Cubanischen Rhythmen, qualmen fette Cohiba-Zigarren und entspannen sich mit eiskalten Mojitos und Cuba Libres. Durch Wim Wenders Welterfolg „Buena Vista Social Club“ inspiriert, scheint jeder Musiker zum Original-Ensemble zu gehören. 

VENEZUALA IST NACH DEM 14. STAATSBANKROTT AM ENDE!

gerechte Verteilung von Ressourcen« oder Fürsorge für den armen Teil der Bevölkerung seien Ziel seiner Politik„Wie war das bei euch mit dem Mauerfall?“, fragt uns ein Mittzwanziger im Restaurant am Plaza Vieja in der Altstadt. Nicht das erste Mal, dass wir als Deutsche erkannt, angesprochen werden. Im Reiseführer steht politische Themen seien tabu – davon ist nichts zu spüren. „Wegen Renovierung geschlossen!“ prangt es auf dem Schild.  Kubas wichtigster Partner ist Venezuela – das Land mit den größten Erdölvorkommen der Erde. Das Volk lebt in Armut – nach dem venezolanischen Staatsbankrott von 2017 – übrigens der 14 (!) des Landes. Die humanitäre Lage ist katastrophal: Die Menschen hungern. Laut Untersuchungen führender Universitäten leben 96 Prozent der Bevölkerung in Armut. Venezuela hat die größten Ölreserven der Welt, aber es gibt keinen Sprit mehr! Absurd! Das wenige Benzin, das noch produziert wird, wird nach Kuba verschenkt. Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen, niemand kann sagen, wie die aktuelle Pandemie-Situation ist. Keine Überraschung, dass mehr als sechs Millionen Venezolaner geflohen sind. Wie konnte es dazu kommen? Präsident Nicolás Maduro von der Vereinigten Sozialistischen Partei kollaboriert mit Drogenkartellen und wird von der UN für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Das Land wird ideologisch von „Forum von Sao Paolo“ (Zusammenschluss der lateinamerikanischen Linken), der „Puebla-Gruppe“ (Organisation progressiver Führer in Lateinamerika) und linksextremen internationalen Bewegungen gestützt. Das Maduro-Regime ist auch eng mit Russland, China, der Türkei und dem Iran verbunden und die Hisbollah und Hamas operieren von Venezuela aus – Pest und Cholera in Reinstkultur. Er soll einen ähnlich spartanischen Lebensstil wie Putin führen, der in seinen Milliarden-Palast am Schwarzen Meer, der 40-mal so groß wie Monaco ist, über die „Gerechte Verteilung von Ressourcen“ nachdenkt oder die „Fürsorge für den armen Teil der Bevölkerung“ als Ziel seiner Politik definiert – noch Fragen?

IST HAVANNA NOCH ZU RETTEN?

Und auf Kuba? Überall wird gehämmert und gebaut. Eigentlich dürfen Ausländer keine Immobilien erwerben. Auch US-Bürger haben offiziell Einreiseverbot. Trotzdem sind viele hier. Wie passt das zusammen? Sie reisen via Mexiko oder Kanada ein und gelten dann nicht mehr als Amerikaner. „Der Kommunismus hier ist ein Witz!“, ruft eine junge Frau herüber. „Máximo Líder Fidel“ hat acht US-Präsidenten überlebt und alle Kriterien einer Diktatur geschaffen. Bruder Raúl bringt Veränderungen – aber zu wenig: Wann endet das US-Embargo? Was ist mit den Internetcafés? Import-Autos – wer kann sich das leisten? Darum drehen sich viele Gespräche auf dem Malecón, der langen Uferpromenade. In „Havannas Wohnzimmer“ sitzen Einheimische und Touristen jeden Abend einträchtig zusammen und trinken, diskutieren, machen Musik oder schauen den Fischern zu. 

OLDTIMERTOUREN DURCH DIE STADT

Wenn Sie eine Woche in Havanna verbringen möchten, sind Privatunterkünfte ein guter Tipp: „Hostal del Angel“ – wohnen wie in einem Museum mitten in der Altstadt (www.cubareisen.info). Hier kann man auch vierstündige Führungen durch Havannas Altstadt für 20 Euro buchen. Oder eine halbtägige Hemingway-Tour im Oldtimer für 50 Euro pro Person. Neben „Comandante“ Che Guevara ist Literatur-Nobelpreisträger Ernest Hemingway Ikone der Insel: Ferienvilla und Bars des cocktailsüchtigen Schriftstellers sind Pilgerstätten. Wer Havanna authentisch erleben möchte, sollte Privatrestaurants („Paladares“) besuchen. Pflichtprogramm ist das „La Guarida“ – Kulisse des Kultfilms „Erdbeer & Schokolade“. Havanna hat fünf herrlich weiße Sandstrände. Direkt am „Capitolo“ fahren klimatisierte Busse ab. Diese Stadt ist ein Erlebnis – unbedingt Zeit dafür einplanen! 

Cuba Die Inselgröße entspricht in etwa der ehemaligen DDR. Auf Cuba hat sich einiges getan: Selbstständiges Kleinunternehmertum ist erlaubt, seit Januar 2013 gilt die Reisefreiheit und 120 Internetcafes wurden sollen entstehen. Und dennoch, Cuba erfüllt die Kriterien einer Diktatur: Meinungsäußerung, Presse-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit? Fehlanzeige!   

Flughäfen Havanna, Varadero und Santiago de Cuba. 

TOURIST BOARD

www.cubatravel.cu/en

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Michael Krüger

Ist in der Medien- und Musikszene als Journalist, Texter und Kreativer aktiv. Nach Studium, Akademie & Volontariat fest oder frei in Redaktionen und Agenturen sowie als Reisejournalist und Artworker tätig. Für seine Reisereportagen wurde er mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet.